Anfa und die monetäre Staatsfinanzierung

Das „Agreement on net-financial assets“, nach welchem nationale Zentralbanken auf eigene Rechnung Staatspapiere kaufen können, was offenbar weder bilanztechnisch noch innerhalb des ESZB transparent kommuniziert zu werden scheint, wird zu Recht als Gefährdung der Glaubwürdigkeit der EZB kritisiert. Besonders Draghis Aussage, bezüglich der Details müsse man sich an die nationalen Zentralbanken wenden, lässt sich interpretieren als „So genau wissen wir das bei der EZB auch nicht, was da geschieht“, ist sehr zweifelhaft. In Zeiten, wo gewöhnliche wie ungewöhnliche geldpolitische Maßnahmen praktisch unwirksam sind, und der Einfluss der Zentralbank fast ausschließlich auf ihre Fähigkeit zu glaubwürdiger Kommunikation und Erwartungsbeeinflussung beschränkt ist, sind solche Intransparenzen kontraproduktiv.

Was aber besonders störend ist: Reflexartig kommen die Standardargumente besorgter Ökonomen auf den Tisch, hier werde „Geld gedruckt“ und damit „verdeckte unerlaubte Staatsfinanzierung betrieben“ (z.B. in der FAZ vom 22.12.2015). Dazu kurz und knapp Folgendes:

Kauft eine Zentralbank von einer Geschäftsbank ein Staatspapier, so bezahlt sie mit „Reserven“. Es entsteht dabei gar kein Zahlungsmittel, welches der Staat oder ein anderer Akteur im Wirtschaftskreislauf irgendwie verwenden könnte. Geld entsteht dann (aber eben nicht durch „Drucken“ seitens der EZB!), wenn die Bank diese Staatspapiere von einer Nicht-Bank kauft und den Betrag als Sichtguthaben gutschreibt – ähnlich wie bei der Kreditgeldschöpfung. Für den Staat gibt es dann und nur dann eine Finanzierungswirkung, wenn die Bank das Papier auf dem Primärmarkt kauft, also direkt dem Staat den Kaufpreis als Sichtguthaben verbucht.

Nun, genau das ist empirisch zunächst nachzuprüfen, bevor man von „monetärer Staatsfinanzierung“ schwadroniert: Hat es im Rahmen von Anfa signifikante Käufe von Staatspapieren durch Banken auf dem Primärmarkt gegeben, die dann anschließend an die nationale Zentralbank (oder auch an die EZB) weiterverkauft wurden? Wurden z.B. Papiere gekauft, die noch vor Anfa und dem ganzen QE-Programm der EZB begeben wurden, so ist der Vorwurf nicht stichhaltig. Und wenn aktuell emittierte Papiere auf dem Sekundärmarkt gekauft wurden, dann müsste man (fast verschwörungstheorieartig) davon ausgehen, dass Zentralbank, Bank, Staat sowie ein weiterer Strohmann auf dem Sekundärmarkt kollusiv handeln. Hier würde allerdings eine transparente Politik der EZB und der nationalen Zentralbanken helfen, diese rein empirische Frage zu beantworten. Bis dahin sollte man nicht die verbale Demontage der Glaubwürdigkeit der EZB durch Mutmaßungen vorantreiben, die man empirisch nicht belegen kann. Stattdessen sei empfohlen, sich mal ganz entspannt die Zeitreihen von M0, M3 und Staatsverschuldungsquoten seit Auflage des QE-Programms der EZB (wozu auch Anfa zuzurechnen ist) zu betrachten.