Grexit – und dann?

Moody’s und Standard and Poor’s halten die Kosten eines Grexit für verkraftbar, sofern nicht andere Krisenstaaten ebenfalls den Euroraum verlassen. Sie beziffern die Kosten auf etwa 300 Milliarden Euro, verteilt auf alle Euroländer und über einen längeren Zeitraum. Unterstellt wird, dass im Fall eines Austritts die Schulden an andere Staaten, das Eurosystem und Private, die natürlich weiterhin in Euro berechnet sind, nicht mehr bedient werden und mehr oder weniger abgeschrieben werden müssen. Das wäre man tatsächlich zu tragen bereit, nur um die ewigen Streitereien um die Hilfsmaßnahmen für ein „Fass ohne Boden“ los zu sein? Man darf sich wundern. Wenn man 300 Milliarden Euro Verlust in Kauf zu nehmen bereit wäre, warum tut man sich mit Schuldenschnitten und Stundungen der Rückzahlungen so schwer wie sie seit Wochen, Monaten und Jahren angesichts der völligen Überschuldung immer wieder angemahnt und brüsk zurückgewiesen wurden? Wenn die Troika beschließen würde, die in den nächsten drei Jahren fälligen Rückzahlungen von ca. 60 Milliarden zu erlassen, um dem Reformprogramm eine Chance zu geben, dann wäre das geradezu ein Schnäppchen im Vergleich zu einem Grexit. Bisher muss sich die Regierung von einem Liquiditätsengpass zum nächsten hangeln und alle staatlichen Aktivitäten kreisen um das Stopfen von Löchern. An einen Aufbau einer effektiven Steuerverwaltung durch Einstellen kompetenter Steuerbeamter ist kaum zu denken, wenn man nicht weiß, ob man nächsten Monat noch in der Lage sein wird, Gehälter zu bezahlen. Wenn man wenigstens einen Großteil seines Geldes wiedersehen will, welches man sehenden Auges an einen völlig überschuldeten Staat geliehen hat, sind Schuldenschnitte, bei denen man seine Verhandlungsoptionen behält, effektiver als einfach aufzugeben. Griechenland bliebe im Euro, ein enttäuschtes Abwenden der Bevölkerung von Europa bliebe erspart. 300 Milliarden Euro Verlust im Fall eines Grexit – wie soll man ein so teures Verhandlungsungeschick dem rationalen Steuerzahler erklären? An manchen deutschen Stammtischen würde man sicherlich darüber jubeln, aber ob man da auch richtig rechnen kann?